UX-Writing beginnt mit Verstehen, nicht mit Schreiben
Das Wichtigste in Kürze:
UX-Writing ist UX-Arbeit – keine Schönschreiberei, sondern funktionale Gestaltung entlang der User Journey. Texte müssen Teil des Designprozesses sein, nicht nur ein Feinschliff am Ende.
Wirksame Texte brauchen UX-Research – nur wenn wir Nutzer*innen wirklich verstehen, können wir eine klare, hilfreiche und motivierende Sprache gestalten.
Ein Wort kann Millionen bewegen – ein kleiner Wechsel im Buttontext, basierend auf Research, führte bei Airbnb zu Millionen Dollar mehr Umsatz.
Gutes UX-Writing folgt denselben Prinzipien wie UX-Design – Nutzungskontext verstehen, Hypothesen bilden, testen, iterieren. Bauchgefühl reicht nicht (immer).
Wir müssen nicht alles researchen und testen – entscheidend ist, Aufwand und Risiko klug abzuwägen und UX-Research dort einzusetzen, wo er den größten Mehrwert bringt.
6 Praxis-Tipps die helfen, UX-Writing wirkungsvoller zu machen – von Empathy Maps bis zu individuellen Texttests. Templates und Copy-Paste reichen nicht aus.
UX‑Writing und UX‑Research gehen Hand in Hand
UX-Writing ist mehr als „Schreib das bitte etwas freundlicher“ oder „Hier fehlt ein Komma“. UX-Writing ist UX-Arbeit.
Das bedeutet: Texte sind kein Feinschliff am Schluss, sondern ein integraler Teil der Nutzererfahrung – und diese Erfahrung können wir nur gestalten, wenn wir die Menschen dahinter verstehen.
Genau hier kommt UX-Research ins Spiel. Oder besser gesagt: UX-Research sollte im Spiel sein.
Denn noch immer entstehen viele Texte ohne echtes Verständnis zur Nutzerschaft – mit dem Bauchgefühl von Projektleitenden, mit einem veralteten Tone-of-Voice-Dokument oder mit der Prämisse „Haben wir immer so gemacht“.
Das Resultat: Texte, die zwar korrekt sind, aber nicht wirken.
Das liegt auch am fehlenden Verständnis zum Zusammenspiel zwischen Daten und Worten. Ich mag z.B. dieses Feedback, das ich von einer Kursteilnehmenden erhalten habe:
"Ein Aha-Moment war für mich die Erkenntnis, wie nahe UX-Writing am Thema UX-Research liegt." Cheyenne Wäny, Gründerin und UX-Designerin, Pinx
In diesem Artikel zeigen wir, wie UX-Writing seine wahre Magie entfaltet, sobald wir im UX-Writing eng mit unseren UX-Research-Kolleg*innen arbeiten – oder selbst die Haltung, Werkzeuge und Denkweise aus dem UX-Research übernehmen.
UX‑Writing ≠ Schönschreiben
UX-Writing = Gestaltung von Nutzererlebnissen mit Text
Beginnen wir mit einem Missverständnis: UX-Writing ist nicht das, was die Redaktion am Schluss macht, wenn das Interface steht. UX-Writing ist nicht einfach Marketing in kürzer.
UX-Writing ist die bewusste Gestaltung sprachlicher Berührungspunkte entlang einer User Journey – mit dem Ziel, Menschen sicher, klar, empathisch und effizient durchs Produkt zu führen.
Ob beim Onboarding, bei einem komplizierten Formular oder beim Helptext im richtigen Moment: Gute UX-Texte machen den Unterschied. Und zwar nicht auf der ästhetischen, sondern auf der funktionalen Ebene.
Aber damit das gelingt, brauchen wir eines ganz dringend: Ein tiefes Verständnis für die Menschen, die unser Produkt nutzen.
Und genau dafür ist UX-Research da.
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Warum UX‑Writing UX‑Research braucht
UX-Research liefert Antworten auf Fragen, die für unsere Arbeit mit Text zentral sind. Kennen wir die Antworten, erstellen wir Texte mit Wirkung.
UX-Research beantwortet folgende Fragen, die unerlässlich sind für gutes UX-Writing:
Welche Fragen, Ängste oder Missverständnisse treten an einem bestimmten Punkt im Interface auf?
In welcher Situation befinden sich die Nutzenden gerade? Welche Vorerfahrung bringen sie mit?
Wie sprechen sie selbst über das Problem, das unser Produkt löst? Welche Mehrwerte bewegt sie?
Was motiviert zum nächsten Schritt – und was hält davon ab?
Welches Sprachlevel ist angemessen? Welche Begriffe sind verständlich, welche nicht?
Ohne diese Erkenntnisse schreiben wir ins Blaue. Und Raten ist keine UX-Methode.
Gutes UX-Writing braucht dieselbe Empirie wie der Rest des UX-Designs. Wir müssen Texte durch echte Daten validieren. Und wir brauchen Research, der nicht nur das „Was“ misst (Klickzahlen, Conversion), sondern auch das „Warum“ erklärt.
Denn ein Buttontext kann zehn Varianten haben – aber nur eine funktioniert wirklich gut. Und zwar nicht, weil sie „kreativer“ ist, sondern weil sie das richtige Bedürfnis im richtigen Moment adressiert.
Ein Beispiel: Der Multi‑Million‑Dollar Button von Airbnb
UX-Research macht UX-Writing messbar besser. Ein mittlerweile legendäres Beispiel dafür stammt von Airbnb.
Airbnb merkte: Viele Leute sprangen ab – mitten im Buchungsprozess.
Warum? Sie dachten, sie müssten schon zahlen. Dabei wollten sie doch nur mal schauen.
Die Ursache: Call-to-Actions, die zu viel Verbindlichkeit ausstrahlen.
“We basically changed 7 characters, and made Airbnb millions of dollars.” Judd Antin, ehem. UX-Research Lead, Airbnb
Sie haben nie kommuniziert, welche Worte die Call-To-Actions tatsächlich enthielten. Ich kann mir vorstellen, dass es sowas war:
“Book now” – viel Verbindlichkeit, zu früh im Kaufprozess.
Das ist ein Klassiker, den ich immer wieder antreffe. “Jetzt kaufen”, “Jetzt bestellen”, “Jetzt anmelden” – in einem Moment, in dem die Leute sich erst informieren möchten.
Zurück zu Airbnb: User Research zeigte: Die Leute waren neugierig, aber noch nicht entscheidungsbereit. Die Buttons schickten das falsche Signal – und die Leute sprangen ab.
Also änderte das Team den Text. Weg von Call-To-Actions mit der Aussage „Jetzt wird’s ernst“ – hin zu „Ganz entspannt, einfach mal reinschauen“.
Ich kann mir vorstellen, dass das neue Wording in folgendem Stil war:
“Check availability” — viel weniger verbindlich!
Das Resultat? Eine massive Steigerung der Interaktionen. Laut internen Zahlen brachte die Änderung Airbnb mehrere hundert Millionen Dollar zusätzlich ein.
Nicht, weil das Wording hübscher war. Sondern weil es zum mentalen Zustand der Nutzenden passte. Research hatte die Befürchtung offengelegt – und unser UX-Writing konnte sie mit einem Satz adressieren.
Versionen, die aktuell online sind:
“Show dates” (in einem frühen Phase einer Aktivitäts-Buchung)
“Reserve” mit der Ergänzung “Free cancellation” (beim Buchen eines Aufenthalts)
Auch diese folgen demselben Prinzip: Langsam und behutsam heranführen.
Judd Antin, ehemaliger Research-Lead bei Airbnb spricht über dieses Beispiel (und weitere spannende UX-Research Themen) in Lenny’s Podcast - hör rein. Ab Minute 35 thematisieren sie den Button.
UX-Writing braucht dieselben Standards wie UX‑Design
Was das Beispiel zeigt: UX-Writing funktioniert dann am besten, wenn wir dieselben Prinzipien befolgen wie überall im UX:
Das bedeutet:
Nutzungskontext verstehen und Anforderungen ableiten
Hypothesen bilden und Gestaltungsvarianten erstellen
Testen und iterieren
UX-Writing ist kein sprachliches Bauchgefühl. Es ist UX-Arbeit mit Sprache. Und wenn wir gute UX schaffen wollen, kommen wir an UX-Research nicht vorbei.
Dabei möchte ich aber folgendes nicht unerwähnt lassen:
Regelmässig UX-Writing Tipps erhalten?
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Wir müssen nicht alles researchern und testen
Hand aufs Herz: Es gibt kein Projekt mit unlimitiertem Research- und Testing-Budget.
Das wäre zwar spannend. Ich bin aber auch ein Fan von richtig guten Aufwand-Nutzen-Verhältnissen 🙂 Deshalb stellt euch auch die Frage:
Wann macht Research und Testing im UX-Writing Sinn?
Wir folgen dem Mehrwert-Risiko-Prinzip:
Hoher erwarteter Mehrwert, hohes erwartetes Risiko? Research.
Hoher erwarteter Mehrwert, tiefes erwartetes Risiko? Testen.
Tiefes erwarteter Mehrwert, tiefes erwartetes Risiko? Einfach machen.
Tiefer erwarteter Mehrwert, hohes erwartetes Risiko? Finger weg.
6 Tipps für UX‑Writing, das wirkt
UX-Writing ist UX-Arbeit – und damit genauso auf echte Nutzerbedürfnisse angewiesen wie der Rest des UX-Designs. Diese sechs Tipps helfen dir, Texte zu schreiben, die wirklich wirken:
1. Erkenne UX‑Writing als UX‑Disziplin
Texte sind kein Feinschliff zum Schluss, sondern funktionale Bestandteile der User Experience. Wer gute UX will, muss auch Sprache gestalten: Hypothesen bilden, Varianten schreiben, validieren, iterieren – UX-Writing braucht denselben Prozess wie jede andere UX-Disziplin.
Ich achte beispielsweise darauf, dass UX-Writing bereits im Prototypen-Stadion fundiert mitgedacht wird.
2. Verstehe die Menschen, bevor du schreibst
Was denken, fühlen, erwarten Nutzer*innen an einem bestimmten Punkt im Interface? Mit diesem Wissen im Hinterkopf entfalten deine Worte ihre wahre Magie.
Ich fülle z.B. für jedes Projekt, das ich mache, eine Empathy Map aus.
3. Arbeite mit echten Erkenntnissen
UX-Research zeigt dir nicht nur, was funktioniert, sondern auch warum. Das hilft dir, zielgerichtete Texte zu entwickeln – statt auf gut Glück.
Die Empathy Map, die ich in Punkt 2 erwähnt habe, soll soweit wie möglich auf echten Erkenntnissen beruhen. Die Ergebnisse sind erstaunlich 🙂
4. Denke in User Journeys
Wo stehen die Leute? Woher kommen sie? Was ist der nächste Schritt? Wie viel Verbindlichkeit ist notwendig? Falsches Timing in der Sprache kann teuer werden. Beispiel Airbnb: Ein zu verbindlicher Buttontext kostete Millionen. Die reduzierte Verbindlichkeit brachte sie zurück.
5. Teste deine Worte
Worte lassen sich testen – genau wie Designs. A/B-Tests oder User-Interviews zeigen dir, was funktioniert (und was nicht). Üblicherweise machen holistische Tests am meisten Sinn – also Designs und Text zusammen. Es gibt aber durchaus auch Fälle, bei denen du Texte separat betrachten kannst. Du kannst z.B. mit Textanalyse-Tools den Schwierigkeitsgrad deiner Worte überprüfen.
6. Verlasse dich nicht auf Templates
Wir können schauen, wie es andere machen. Aber denke daran: Deine Nutzenden ticken möglicherweise anders. Ein bewährtes Wording funktioniert nur dann, wenn es im richtigen Moment sitzt. Copy-Paste ist kein UX-Prinzip: Versetze dich immer in den Kontext deiner Nutzenden und deren Anforderungen.
Fazit: UX‑Writing wird dann stark, wenn wir die Brücke zu Research schlagen
UX-Writing ist essentiell und keine kosmetische Disziplin. Es geht um Klarheit, Vertrauen, Orientierung – und die entstehen nicht durch Bauchgefühl, sondern durch systematisches Verstehen.
UX-Writing, das auf Research basiert, wirkt stärker. Weil wir echte Menschen adressieren. Im richtigen Moment. Mit den richtigen Worten.
…und echt starken Resultaten!
Worte, die wirken
Worte beeinflussen die User Experience enorm. In unseren UX‑Writing Kursen lernst du, dass volle Potenzial deiner UX‑Schreibarbeit auszuschöpfen.