UX-Writing: Was Kommunikationsprofis davon lernen können

Ich stamme aus der Unternehmenskommunikation. Und meine erste Begegnung mit User Experience Writing (UX-Writing) sollte meine Arbeit und Karriere grundlegend verändern.

Es war ein regelrechter AHA-Moment: Von “OMG, so kann man es auch betrachten!” bis zu “Wow, das ist eine ganz eigene Disziplin für sich!”. Ich war fasziniert. Und bin es bis heute.

Dieser Beitrag ist mein Versuch, einen Funken der Faszination, die diese neue Kommunikationsdisziplin in mir auslöste, auf euch — meine KollegInnen aus der Kommunikationsbranche — zu übertragen.

Wieso ich das möchte? UX-Writing wird immer wichtiger. Kommunikationsprofis sind in einer idealen Position, um sich dem Thema anzunehmen. Es winken Differenzierungspotenzial und mehr Erfolg, sowohl für euch, eure Organisationen, wie auch für eure Zielgruppe. Win, win, win :)

Das können Kommunikationsprofis von UX-Writing lernen

Die folgenden neun UX-Writing Paradigmen haben meine Kommunikationsarbeit nachhaltig verändert - vielleicht auch die eure?

1. Nutzerzentrierung:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Oftmals fokussiert auf die Vermittlung von Unternehmensbotschaften und das Aufrechterhalten eines konsistenten Markenimages. Es heisst ja auch Unternehmenskommunikation.

  • UX-Writing: Konzentriert sich auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Nutzer. Es geht darum, Inhalte so zu gestalten, dass sie den Nutzern helfen, ihre Ziele zu erreichen und eine positive Erfahrung zu machen.

Schon mal eine Empathy Map ausgefüllt? Das ist ein UX-Instrument, das euch hilft, eure Zielgruppe zu verstehen und entsprechend zu kommunizieren und zu argumentieren.

Bildquelle: Toolshero

2. Kontextualisierung:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Bietet oft allgemeine Informationen oder Botschaften.

  • UX-Writing: Passt die Kommunikation an den spezifischen Kontext des Nutzers an. Es berücksichtigt, wo sich der Nutzer in seinem Prozess befindet und welche Informationen er in diesem Moment benötigt.

Woher kommen beispielsweise die Menschen, die auf eurer Website landen? SEO? Eine andere Website? Ein Newsletter? Wohin wollen/sollen sie gehen? Was wissen sie bereits (und was nicht)? Was müssen sie zum aktuellen Zeitpunkt wissen, um weiter zu kommen?

Versucht mal eine Customer Journey Map zu nutzen, um das Informationsbedürfnis eurer Zielgruppe für jede Phase und jeden Kanal zu bestimmen - mind blowing :)

Bildquelle: The Content Strategist

3. Interaktivität und Feedback:

  • Unternehmenskommunikation: Ist auf Informationsvermittlung ausgerichtet und ist eher einseitig (vom Unternehmen zum Kunden).

  • UX-Writing: Ist auf Interaktion ausgerichtet, bietet sofortiges Feedback und leitet den Nutzer durch digitale Erlebnisse.

Kommunikationskanäle — Websites, Social Media, Newsletter, etc. — dienen längst nicht mehr (nur) der Informationsvermittlung. Sie enthalten interaktive Elemente oder sind auf Interaktion ausgerichtet — man denke z.B. an ein Newsletter-Anmeldeformular, eine Seite auf der man Versicherungen vergleichen kann oder den Online-Schalter einer Behörde.

Bildquelle: Stadt Zürich

4. Emotionales Engagement:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Zielt darauf ab, eine emotionale Verbindung zur Marke aufzubauen.

  • UX-Writing: Berücksichtigt die Emotionen der Nutzer während der Interaktionen und sorgt dafür, dass diese positiv sind, was das Gesamtbild der Marke verbessert.

Jede digitale Journey besteht aus positiven Momenten (“jey, angemeldet!”), negativen Momenten (“no, schon wieder ein Pop-up!”) und neutralen Momenten (“weiter”). Wenn ihr mir Emotionsmanagement-Tools wie einer Tone-Map arbeitet (welchen Ton schlage ich in welcher Situation an?), könnt ihr auf den Gemütszustand eures Gegenübers gezielt eingehen.

Bildquelle: The UX Gal

5. Mikrointeraktionen:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Fokussiert sich oft auf größere Kommunikationskampagnen.

  • UX-Writing: Achtet auf die Details und die kleinen Momente der Interaktion, die einen grossen Einfluss auf die Gesamterfahrung haben können.

Die Unternehmenskommunikation ist voller Mikrointeraktionen — z.B. alle Buttons, auf die man so klicken kann. Oder die Erfolgsmeldung, wenn man sich für einen Newsletter oder Event angemeldet hat. Oder ein Like auf Social Media. Überall dort könnt ihr mir UX-Writing viel herausholen.

Bildquelle: Essential Addons

6. Konsistenz und Kohärenz:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Wichtig für das Markenbild.

  • UX-Writing: Wichtig für die Nutzerführung und das Vertrauen. Inkonsistente Texte können den Nutzer verwirren und frustrieren.

Es gibt übrigens tolle Tools, die einem erlauben, konsistenz und kohärent zu texten.

Ist es euch z.B. wichtig, inklusiv zu kommunizieren? Das Tool Witty macht euch beim Texten darauf aufmerksam, wenn ihr jemanden sprachlich ausschliesst. Es hilft euch auch, euch an euer Glossar zu halten und Begrifflichkeiten, die ihr nicht verwenden möchtet, zu vermeiden.

Bildquelle: Witty

7. Nutzerforschung:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Kann sich auf demografische Daten und Marktanalysen stützen.

  • UX-Writing: Nutzt tiefgehende Nutzerforschung, um die Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Pain Points der Nutzer zu verstehen. Methoden wie User Interviews, Usability-Tests und Umfragen liefern wertvolle Einblicke, die direkt in die Texte einfließen.

Ich bin ja die Expertin (oder meine Kollegen aus Abteilung XYZ sind es). Deshalb weiss ich, was am besten ist für meine Zielgruppe.

Hmmm, nein.

Es gibt ein Grundprinzip im UX, und das lautet: “I am not the user”. Nehmt euch das zu Herzen. Schliesst nicht von euch auf andere. Lernt eure Nutzerschaft mittels User Research kennen und nutzt Methoden, um euch in eure Nutzerschaft hineinzuversetzen (siehe dazu auch Punkt 1 dieser Liste).

Bildquelle: Redubble

8. Datengetriebene Entscheidungen:

  • Klassische Unternehmenskommunikation: Entscheidungen basieren oft auf Erfahrung, Intuition und Marktforschung.

  • UX-Writing: Nutzt A/B-Tests und Datenanalysen, um die Effektivität von Texten zu messen und kontinuierlich zu verbessern. Inhalte werden iterativ angepasst, basierend auf realen Nutzerinteraktionen und -feedback. So werden Call-to-Actions, Formulierungen, Buttons etc. optimiert, um Nutzer zum gewünschten Verhalten zu führen.

Boah, wie wir die Conversion-Rate auf unserer Landing-Page verbessern konnten!

Bildquelle: Optimizely

9. Klarheit und Prägnanz:

  • Unternehmenskommunikation: Kann manchmal in Fachjargon oder Marketing-Sprache verfallen, die nicht immer leicht verständlich ist. Ist sich an Fliesstext und längere Textformate gewöhnt.

  • UX-Writing: Priorisiert klare, einfache und präzise Sprache. Nutzt Microcopy und UX-Designprinzipien beim Texten. Dies hilft, Missverständnisse zu vermeiden und verbessert die Nutzererfahrung.

Im Web wird nicht gelesen. Nur gescannt. Ausserdem haben wir oft extrem wenig Platz zur verfügung, um unsere Botschaften zu übermitteln und unsere Gegenüber anzuleiten (insbesondere, wenn wir für Mobile texten). Im UX-Writing werdet ihr darauf trainiert, das allerbeste aus dem Platz herauszuholen, der euch zur Verfügung steht.

Fazit:

Das Verständnis von UX-Writing veränderte meine Arbeit in der Unternehmenskommunikation grundlegend.

  • Es half mir, eine nutzerzentrierte Denkweise zu entwickeln, die letztlich zu einer besseren Nutzererfahrung und einem stärkeren Markenimage führt.

  • Es inspirierte mich dazu, research- und datengetrieben zu arbeiten und zu argumentieren.

  • Es hat mir neue Perspektiven auf die Art und Weise eröffnet, wie Botschaften formuliert und übermittelt werden.

  • Es eröffnete mir Türen in neue Branchen - Produktdesign, UX, App-Entwicklung — und brachte mich auf neue Karrierepfade.

Unterm Strich: eine unglaubliche Bereicherung.

Danke, UX-Writing :)


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